Gutachterliche Schadenprognose bei Bagatellschaden

Bei einem Schaden unterhalb der Bagatellgrenze (hier 561,62 Euro netto) darf der Geschädigte den Schadengutachter mit einer Reparaturkostenprognose beauftragen. Liegen die Kosten etwa in der Größenordnung, die auch eine Werkstatt für einen Kostenvoranschlag berechnen würde (hier knapp 100 Euro), verstößt der Geschädigte damit nicht gegen die Schadenminderungspflicht. So urteilte das AG Lüdenscheid. Das Argument, dass eine Werkstatt die Kosten bei einer Reparatur verrechnen würde, verfängt schon deshalb nicht, weil der Geschädigte nicht verpflichtet ist, eine Reparatur vornehmen zu lassen (AG Lüdenscheid, Urteil vom 28.02.2019, Az. 94 C 404/18, Abruf-Nr. 207785, eingesandt von Rechtsanwalt Matthias Mayer, Sprockhövel).

Finger weg von Kostenvoranschlägen bei Haftpflichtschäden
Das ist ein wiederkehrendes Thema. Es spricht alles gegen Kostenvoranschläge und alles für die Einschaltung eines Schadengutachters. Die Schadengutachter gelten in der Rechtsprechung als neutral. Jedenfalls darf der Geschädigte sie für neutral halten. Ein Kostenvoranschlag ist hingegen eine interessengetriebene Leistung der Werkstatt, die im günstigsten Fall später die Rechnung stellen möchte. Dass eine möglichst hohe Rechnung durch einen entsprechenden Kostenvoranschlag vorbereitet wird, liegt auf der Hand.

Reparatur gemäß gutachterlichen Vorgaben
Hundertfach hat die Rechtsprechung bestätigt: Erteilt der Geschädigte der Werkstatt den Auftrag, gemäß den gutachterlichen Vorgaben zu reparieren, beißt sich der Versicherer mit seinen stereotypen „Dies und das war nicht notwendig“-Einwendungen die Zähne aus. Denn der Geschädigte darf sich auf den Gutachter verlassen. Dann muss es aber auch der Schadengutachter gewesen sein. Die Bagatellgrenze, die sich derzeit bei etwa 1.000 Euro Schadenhöhe einpendelt, steht da nicht im Weg. Sie markiert nur die Schwelle zum vollumfänglichen Gutachten, jedoch nicht die zum Gutachter. Der Geschädigte muss lediglich die Kosten für die gutachterliche Leistung im Auge behalten. Und das tut er, wenn er den Schadengutachter mit einem kostengünstigen Produkt beauftragt.

Wichtig » Der reflexartige Versuch der Versicherer, die Geschädigten bei solch kleinen Schäden auf den Kostenvoranschlagsweg zu verpflichten, ist untauglich. Denn auch beim kleinen Schaden darf der Geschädigte die neutrale Expertise einholen.